Seminar – Otto von Bismarck
„Russland-Versteher“ –
die Russische Liebe und die russische Sprache

„Wenn ich an Russland denke, dann denke ich an das, was ich bei Turgenjew gelesen habe.“
Herbert Wells

„Es ist viel Müssen in meinem Leben,
dass ich selten zum Wollen komme“

  • Bismarck – studierte die russische Diplomatie und war vom April 1859 bis zum Mai 1862 als preußischer Gesandter am Hof des Zaren in St. Petersburg akkreditiert
  • Bismarck – beschäftigte sich nicht nur mit politischen Problemen – er bemühte sich auch darum, die Sprache seines Gastlandes zu erlernen
  • Bismarck – „um die Dolmetscher loszuwerden“, studierte er mühsam die russische Sprache, damit er auf Posten in St. Petersburg sich auch mit dem Volk unterhalten zu können
  • Bismarck – titulierte den Zaren Alexander II. als „asiatischen Despoten“, obwohl der sich als Preußens „intimsten, wenn nicht alleinigen Freund“ rühmte
  • Bismarck – wurde vom Zaren Alexander II angesprochen, um in seine Dienste aufgenommen zu werden – Bismarck lehnte das Angebot ab

Russland – russische Geschichte und Werte

„„Man kann die Russen nicht besiegen, das haben wir über Jahrhunderte gelernt. Aber man kann den Russen falsche Werte einbläuen, dann besiegen sie sich von selbst.““ Otto von Bismarck

Bismarck war sehr verärgert und hatte den Eindruck, „kaltgestellt worden zu sein“, als er erfuhr , dass seine nächste Station St. Petersburg sein wird. Später widmete er sich aber seiner neuen Aufgabe mit voller Hingabe und wachem Verstand. Dafür hat er einen Jurastudenten engagiert, der ihm die russische Sprache in Wort und Schrift in nur 32 Stunden beigebracht haben soll.

„Ich werde es wagen russisch fließend zu sprechen, wenn sich mir die Bedeutung Ihres Wortes „nitschewo“ erschlossen haben wird. Die Russen antworten auf die Frage, wie es ihnen geht – „nitschewo“. Als ich so eben zum Palast kam, fuhr der Kutscher an der Kehre zum Newski-Prospekt in einen Schneehaufen. Ich schimpfte, er aber wische den Schnee von meinem Mantel und sagte nur – „Nitschewo, mein Herr, nitschewo“. Aber „nitschewo“, das weiß ich inzwischen ganz sicher aus dem Wörterbuch, bedeutet „nichts“ und sonst nichts.“ – Otto von Bismarck

Jekaterina Orlowa – Bismarcks russische Liebe

An der französischen Atlantikküste in pyrenäennahe Fischerdorf Biarritz verliebte sich Bismarck sich in die russische Prinzessin Jekaterina Orlowa – er sollte sie nie vergessen haben. Er – ein stattlicher Mann um die 50, sie – eine zarte Schönheit Anfang 20.

In Biarritz hat er sich zufällig mit dem russischen Gesandten in Belgien, Grafen Nikolai Orlow getroffen, den er noch von Krimkrieg her kannte, später aber aus den Augen verloren hat. Gemeinsam mit seiner 22-jährigen Gattin Jekaterina hielt sich Orlow im französischen Badeort auf.

Die einzige Tochter des russischen Fürsten Nikolai Trubezkoi  war sehr hübsch, hatte eine erstklassige Ausbildung genossen, konnte gut Klavier spielen und sprach drei Fremdsprachen fließend.

„Ich bin in die schöne Prinzessin verliebt.“ – schreibt Bismarck von der „köstlichsten aller Frauen“ .

Und schon bald konnte Otto von Bismarck die Liebesnovelle von Iwan Turgenjew „Das Adelsnetz“ ohne Wörterbuch und ohne Übersetzung lesen.

„Der eiserne Ring des eisernen Kanzlers.

Fürst Bismarck trägt an einem Finger einen großen eisernen Ring. Dieser Ring hat eine russische Inschrift; auf ihm ist das Wort „Nitschewo“ (das thut nichts) eingravirt. Was es mit diesem Ringe und seiner Inschrift für eine Bewandtniß hat, das zu erfahren, ist dem Berliner Korrespondenten der „Petersburskij Wjedmosti“ gelungen, der die Erklärung aus des Fürsten eigenem Munde erhielt und darüber seinem Blatte, unter dem Hinzufügen, daß der Ring eine gewisse politische Bedeutung habe, ungefähr Folgendes schreibt:

Im Jahre 1862, als der damalige Freiherr von Bismarck-Schönhausen noch Gesandter in Petersburg war, erhielt derselbe im Winter eine Einladung zu einer circa 100 Werst von Petersburg anberaumten kaiserlichen Jagd. Bismarck, als eifriger Jäger, fuhr bereits früher dorthin ab, um vor Ankunft des Kaisers auf eigene Hand zu jagen, verirrte sich und sah sich, als die Stunde des Rendezvous nahte, einem kleinen ihm gänzlich unbekannten Dörfchen gegenüber. Er konnte sich allenfalls russisch verständlich machen und fragte einen Bauern, wie weit es bis zu jenem Sammelplatze wäre?
„Zwanzig Werst“, lautete die Antwort!
„Willst Du mich hinfahren?“
„Sehr gern, Herr!“
Wenige Minuten später saß der preußische Gesandte in einem kleinen mit zwei jämmerlichen Pferdchen bespannten Bauernschlitten und fuhr ab.
„Wirst Du mich auch noch zur Zeit hinbringen; ich habe es sehr, sehr eilig?“ – fragte Bismarck seinen russischen Rosselenker.
„Nitschewo“. – erwiederte dieser.
„Du hast ja Ratten vor Deinem Schlitten, aber keine Pferde warf der Ungeduldige ein, dem die Fahrt zu langsam ging.
„Nitschewo,“ accompagnirte der Bauer diesen Vorwurf, aber nunmehr ließ er die kleinen Pferdchen dermaßen ausgreifen, daß dem Insassen schier der Atem ausgehen wollte.
„Hallo, jetzt fährst Du ja wie ein Toller“, meinte Bismarck jetzt, aber –
„Nitschewo“, tönte es ihm entgegen!
„Du wirst noch umwerfen!“ –
„Nitschewo“, und bei diesen lakonischen „Nitschewos“, als einzige Entgegnung auf alle Bemerkungen des Insassen, blieb es, bis – dieser plötzlich außerhalb des Schlittens im Schnee lag.
Auch jetzt sollte ihn wieder ein „Nitschewo“ über den kleinen Unfall trösten, doch Bismarck, ärgerlich über die hervorgerufene Verzögerung und die Pomadigkeit des Bauern hatte die größte Lust, ein vom Schlitten losgegangenes Eisenstückchen, das ihm gerade zur Hand lag, auf dem Rücken desselben tanzen zu lassen, da – besann er sich eines Bessern, behielt das Eisenstäbchen zum Andenken und ließ sich später aus demselben jenen „Nitschewo=Ring“ anfertigen, den er jetzt noch trägt.
So ungefähr lautet die kleine Geschichte des Ringes! Als Fürst Bismarck sie dem Korrespondenten erzählt, fügte er noch im weiteren Verlauf des Gespräches hinzu:
„Meine guten Deutschen machen mir oft den Vorwurf, daß ich Rußland gegenüber zu nachsichtig bin. Man muß aber bedenken, daß ich allein in ganz Deutschland die Gewohnheit habe, in kritischen Momenten „Nitschewo“ zu sagen, während in Rußland hundert Millionen Menschen leben, die in gleichen Momenten allesamt das Wort „Nitschewo“ im Munde führen.“

„Wöchentliche Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg“ / 1885