Für alle Wiesbadenerinnen und Wiesbadener, die die Stadt an verschieden Stellen auf unterschiedliche Weise mitgestalten, und alle Menschen, die interessiert sind, Wiesbaden in seinen sehr verschiedenen Facetten besser kennenzulernen.
Warum der Hoppla-Hop-Weg so heißt und warum „Frau Peters“ eine Vorläuferin digitaler Messengerdienste war.
Wiesbadener Kurier / 10. Oktober 2022
BIEBRICH. „Es geht darum zu zeigen, dass Stadtteile, die nicht so mit Wiesbaden verbunden werden, auch liebens- und lebenswert sind“, erläutert Sozialdezernent Christoph Manjura (SPD). Wiesbaden mit anderen Augen sehen, lautet denn auch das Motto der Stadtteilrundgänge aus dem Handlungsprogramm „Jugend ermöglichen“, die im vergangenen Jahr in Klarenthal Premiere gefeiert haben und nun zum zweiten Mal auf dem Gräselberg stattfinden.
Erarbeitet hat die Tour eine Gästeführerin, die aus Kiew stammt, aber seit mehr als 30 Jahren in Wiesbaden lebt. Bei ihren Recherchen hat sie ermittelt, dass bereits im Jahr 1964 rund 5000 Menschen auf dem Gräselberg gelebt haben. Inzwischen ist die Zahl auf knapp 6000 gewachsen. Mit der Entwicklung des Wohngebiets Kärntner Viertel könnten bald rund 1000 weitere dazukommen. Bereits jetzt weisen viele Straßennamen in der Siedlung einen Bezug zum österreichischen Bundesland Kärnten auf, dessen Landeshauptstadt Klagenfurt seit mehr als 90 Jahren eine Städtepartnerschaft mit Wiesbaden unterhält. Der Name Gräselberg wiederum beschreibe eine sandige Stelle auf einer Berghöhe. Nicht umsonst seien hier einst Sandgruben und Ziegeleien betrieben worden. Klöster hätten die Lage zudem für den Weinbau genutzt.
Am Südhang ist in der Verlängerung der Villacher Straße der Hoppla-Hopp-Weg zu finden. Wie die Gästeführerin erfahren hat, ist die Bezeichnung darauf zurückzuführen, dass dieser früher zum Rodeln genutzt worden sei. Aufgrund des großen Gefälles seien damals sogar eigens Strohballen aufgebaut worden, um die Fahrt auf jeden Fall vor Erreichen der Bundesautobahn A66 zum Ende zu bringen. „Auf halber Höhe ist ein Platz, von dem aus man einen fantastischen Blick hat. Das haben die Jugendlichen entdeckt, und die Nassauische Heimstätte hat eine tolle Sitzgelegenheit geschaffen“, ergänzt Steffi Filke, die Leiterin des Stadtteilzentrums.
Über das Kallebad geht es in Richtung Rosenthalstraße, wo es laut der Gästeführerin schon früh einen Vorläufer der digitalen Messenger-Dienste gegeben haben soll. Denn in Hausnummer 6 habe eine Bewohnerin namens Frau Peters gelebt, die ihre Tage von früh bis spät am Fensterbrett verbracht habe. Wenn abends die Bewohner von der Arbeit in ihr Wohnviertel zurückgekehrt seien, habe sie genau Auskunft geben können, wo deren Kinder sich gerade aufhalten. Umgekehrt habe sie den Nachwuchs verlässlich darüber informieren können, wann ihre Eltern planmäßig nach Hause zurückkommen.
Von einer Heimkehr der besonderen Art berichtet die Gästeführerin zu Beginn der Passage bei den am Gräselberg ansässigen Glaubensgemeinschaften wie den Mormonen und einer muslimischen Gemeinde. Denn am katholischen Kirchort Sankt Hedwig hängt im freistehenden Turm eine jahrhundertealte Glocke, die im Jahr 1940 nach Hamburg verschickt worden sei, um eingeschmolzen zu werden. Sieben Jahre später sei sie jedoch unversehrt zurückgekehrt und habe inzwischen als Dauerleihgabe aus der Pfarrkirche Sankt Bonifatius in der Siedlung ebenso ein Zuhause gefunden wie viele deren Bewohner.
Hendrik Jung