Seminar – Heinrich Vogeler
Reise durch Russland – das tragische Schicksal eines begabten Künstlers

„Wenn ich an Russland denke, dann denke ich an das, was ich bei Turgenjew gelesen habe.“
Herbert Wells

Auf der Suche nach einer besseren Welt

„Gestern wieder ein Stündchen bei Vogeler. Das ist wie immer ein Genuss wie ein hübsches Märchen. Er ist mit seinen Traumaugen zu reizend anzusehen. Er zeigte uns ein Heft mit Entwürfen zu Radierungen von seiner frühesten Zeit bis jetzt, viel feine originelle Dinge.“ – Paula Modersohn-Becker

„Meine graphischen Arbeiten drückten wohl die Horizontlosigkeit aus. Unbewusst entstand eine rein formale wirklichkeitsfremde Phantasiekunst ohne Inhalt. Sie war eine romantische Flucht aus der Wirklichkeit, und daher war sie auch wohl für den bürgerlichen Menschen eine erwünschte Ablenkung von den drohenden sozialen Fragen der Gegenwart. So traf wohl meine Inselgraphik den Charakter einer besonderen Zeit-Epoche, die auch meinen Charakter irgendwie formte, eine uferlose Romantik, hinter aller Wirklichkeit und im Widerspruch zu ihr. „Heinrich Vogeler

Worpswede – die Frage nach dem Sinn seines Lebens

„Ich arrangierte alles so, daß die Gäste sich selbst als Träger des Festes fühlten. Aber ehe ein Fest seinen Höhepunkt erreichte, war ich verschwunden, grundlos böse mit mir selbst.

Warum konnte ich keine Feste feiern?

Ich habe es nie verstanden, warum ich, der Glückspilz, dieser Mensch, dem alles gelang, was er anfasste, nun dasaß, fern vom Fest am einsamen Berghang, ein Häufchen Elend, den Kopf in den Händen und auf den blanken Wiesenfluss starrend.“ – Heinrich Vogeler

„Worpswede, Worpswede, Worpswede! Versunkene-Glocken-Stimmung! Birken, Birken, Kiefern und alte Weiden. Schönes blaues Moor, köstliches Braun! Die Kanäle mit den schwarzen Spiegelungen, asphaltschwarz. Die Hamme mit ihren dunklen Segeln, es ist ein Wunderland, ein Götterland!“Paula Modersohn-Becker

Soziale Utopien – im Dienst des Sozialismus

„Ein Künstler, ein unpolitischer, kommunistischer Philosoph kommt nach Russland als Suchender. Als Gestalter steht er mitten im Kristallisationsprozess, er sieht den klaren, zukunftsträchtigen Aufbau der Union der Räterepubliken, er erkennt den lebendigen Organismus der Gesellschaft der Arbeitenden.“ – Heinrich Vogeler

Heinrich Vogeler kam in die UdSSR mit der Hoffnung, dort den Aufbau eines „wahren Sozialismus“ und einer menschlicheren Gesellschaft zu erleben, für die er selbst tätig werden wollte.

„Wie viel schöner und ruhiger sind hier die Menschen, denen man ins Antlitz sieht, im Vergleich zu den Menschen des Westens.  Freie Menschen, die das Schlimmste getragen haben, um ihren Kindern den Zukunftsweg zu sichern.“ – Heinrich Vogeler

Was voll Hoffnung in der Sowjetunion begann, fand sein tragisches Ende in der kasachischen Steppe.

„Wir gingen zusammen durch die Heide, abends im Wind. Und das Gehen in Worpswede ist jedes mal so: eine Weile wandert man vorwärts, in Gesprächen, welche der Wind rasch zerstört, – dann bleibt einer stehen und in einer Weile der andere. Es geschieht so viel. Unter den großen Himmeln liegen flach die dunkelnden farbigen Felder, weite Hügelwellen voll bewegter Erika, daran grenzend Stoppelfelder und eben gemähter Buchweizen, der mit seinem Stengelrot und dem Gelb seiner Blätter köstlichem Seidenstoff gleicht. Und wie das alles daliegt, nah und stark und so wirklich, daß man es nicht übersehen oder vergessen kann. Jeden Augenblick wird etwas in die tonige Luft gehalten, ein Baum, ein Haus, eine Mühle, die sich ganz langsam dreht, ein Mann mit schwarzen Schultern, eine große Kuh oder eine hartkantige, zackige Ziege, die in den Himmel geht. Da gibt es nur Gespräche, an denen die Landschaft teilnimmt, von allen Seiten und mit hundert Stimmen.“

Rainer Maria Rilke