Seminar – Ernst May
„Sozialistische Stadt“–
Sowjetische Idee von Städtebau
„Wenn ich an Russland denke, dann denke ich an das, was ich bei Turgenjew gelesen habe.“
Herbert Wells
Die sowjetische Regierung hat Ernst May und seinem Mitarbeiterstab zugesagt, an der Entwicklung und Errichtung von 1,4 Millionen Wohnungen mitzuwirken. Die „May-Brigade“ war an der Planung und Bau von Wohngebieten von mindestens 20 sowjetischen Städten beteiligt – die meisten befinden sich im Ural und in Sibirien – Nowokusnezk, Nowosibirsk, Nischnij Tagil und viele andere.
Vor allem die Stadt Magnitogorsk – eine der großen Industriestadt am Ural – war von Ernst May als „sozialistische Stadt“ konzipiert und gebaut.
„Anstelle einheitlicher Planung von Industrie, Verkehr, Wohnsiedlungen und Grünflächen erfolgt vielfach eine zersplitterte Projektierung, die nicht das Gesamtproblem erfasst, sondern sich mit Teillösungen zufriedengibt…“ – Ernst May
Heute befinden sich die Gebäude von May im desolaten Zustand oder sind vom Abriss bedroht.
„Die interessanteste und schwerste wird sein die Schaffung ganz neuer Städte. Die einzelne Familie tritt in den Hintergrund, sie lebt in kleinen Wohnzellen, die nur als Schlafräume gedacht sind. Dafür werden errichtet große gemeinsame Küchen, Kindergärten, Klubräume, Vortragsräume, Lesehallen, Sporthallen usw. Das ist im kleinen Maßstab schon verschiedentlich ausprobiert worden, zum ersten mal wird aber aus dem Nichts eine ganze Anzahl solcher Städte geschaffen, die von vornherein auf die unbedingte Kollektivierung des Wohnungswesens eingestellt ist.
Der Schnitt durch die Mietkaserne zu einer bestimmten Tageszeit ergibt, dass beispielsweise in allen Küchen dasselbe geschieht. Hausfrauen stehen am Herd und kochen. Das ist nach russischer Theorie überflüssige Kraftverschwendung. Lässt sich durch Zentralisierung und Rationalisierung vereinfachen und verbessern. Diese Städte werden in erster Linie der Sitz der Eisen- und Stahlindustrie sein, die neu geschaffen werden soll.“
– Zeitungsinterview von Ernst May – „Die rote Fahne“ / 21. September 1930
„Eine weitere Aufgabe ist die Erweiterung der Städte. Hier muss in erster Linie in Moskau gebaut werden, eine Stadt, die für 800.000 Menschen gebaut ist und heute von zwei Millionen bewohnt wird. Hier herrschen zum Teil katastrophale Wohnungszustände.
Dazu kommt dann noch die Typisierung der Auswertung von Baumaterialien und die Feststellung der günstigsten Baumethoden. Im übrigen bin ich gleichzeitig Leiter einer Ausbildungsstelle für russische Studenten, die die Städtebaukunst studieren sollen.“
– Zeitungsinterview von Ernst May – „Die rote Fahne“ / 21. September 1930
Ein für Moskau erstellter Stadterweiterungsplan von Ernst May wurde nicht umgesetzt.
„Jede Stadt ist der Spiegel der Mentalität der Bevölkerung.“ – Ernst May