‚Wir haben alle unbewusst oder bewusst an Russland ein Unrecht getan und tun es noch heute. Ein Unrecht durch Nichtgenugwissen, Nichtgenuggerechtsein. Denn wie es erklären, dass wir alle unserer Generation zehnmal in Paris, zehnmal in Italien, Belgien, Holland, dass wir in Spanien und Nordland überall gewesen sind und aus einem törichten lässlichen Hochmut nie einen Blick ins Russische getan? …
Jedenfalls haben wir allzu lange die ungeheure Vielfalt der russischen Leistung nachlässig aus unserem Blickfeld gelassen, eines der genialsten und interessantesten Völker dieser Erde, zwei Eisenbahnnächte und zwei Eisenbahntage von unserem eigenen Lebensraum und doch in all seinen Werken und Wohnstätten den meisten Europäern unbekannt.
Wie viel hat uns dieser westliche Hochmut gekostet, denn wie wenige sind heute unter uns im geistigen Europa, die aus eigener Anschauung und Erfahrung dieses neue Russland mit dem alten gerecht zu vergleichen wissen …
Die Hälfte aller Urteile über das gegenwärtige Russland sind leider heute Vorurteile, das heißt, sich selbst vor das Blickfeld geschobene starre Standpunkte, die andere Hälfte Nachurteile, das will sagen, anderen nachgeredete Meinungen.“ – Stefan Zweig